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Die meisten türkischen Migranten in Deutschland haben eine starke emotionale Bindung an die alte Heimat.

© dpa

Türken in Deutschland: Keine Herzensfrage

Türkische Migranten sind in puncto Einbürgerung vor allem Pragmatiker - das geht aus einer Studie des „Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung“ der Universität Duisburg-Essen hervor.

Der Zwang, die türkische Staatsbürgerschaft aufzugeben, ist der wichtigste Grund dafür, wenn türkische Migranten nicht Deutsche werden wollen. In einer repräsentativen Studie des „Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung“ der Universität Duisburg-Essen, über die jetzt das Internetmedium „Migazin“ berichtete, wurde dies von 40 Prozent der nordrhein-westfälischen Türken als Grund dafür angegeben, dass sie sich nicht einbürgern lassen wollen. Fast eben so viele der Befragten wollen dies nicht, weil sie sich keine Vorteile davon versprechen.

Auch insgesamt sehen die türkischstämmigen Befragten der Studie die Frage der Einbürgerung sehr sachlich. Türkinnen und Türken, die gern Deutsche werden wollen, nennen zu mehr als 80 Prozent praktische Vorteile als Gründe dafür. An der Spitze stehen rechtliche Aspekte und die Aufenthaltssicherheit mit 47 Prozent und bürgerliche Gleichheit einschließlich des Wahlrechts mit 41 Prozent. Emotionales dagegen spielt nur eine untergeordnete Rolle: Nur zwei Prozent der Einbürgerungswilligen erklärten ihren Wunsch damit, dass sie keine Bindung mehr an die Türkei hätten. Und nur fünf Prozent derer, die keine Deutschen werden wollen, nannten als Grund, dass sie sich Deutschland nicht zugehörig fühlten. Bei einem großen Teil der türkischen Migranten, ob deutsch oder nicht, einbürgerungswillig oder nicht, bestehe „trotz der Hinwendung zu Deutschland weiterhin eine emotionale Bindung an die Herkunftsgesellschaft, wie zahlreiche Studien zur Identität und Identifikation von Migranten nachweisen“, heißt es im Text der Forscher.

Zwar identifizierten sich türkischstämmige deutsche Staatsbürger (68 Prozent) und Türken, die Deutsche werden wollen, häufiger mit Deutschland als Türken, die dies nicht wollen (53 Prozent). Die Unterschiede seien aber „geringer, als man angesichts der hohen Bedeutung, die allgemein der Identifikation für die Einbürgerung beigemessen wird, hätte vermuten können“. Die Bindung an die Türkei bleibe „ trotz Zuwendung zur Aufnahmegesellschaft bei gut einem Drittel bestehen“, ganz unabhängig vom Pass, den man hat oder anstrebt.

Die Erhebung im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen könnte auch bundesweite Trends widerspiegeln. Die Einbürgerungszahlen entwickelten sich parallel; hier wie dort gingen sie trotz der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts durch die rot-grüne Bundesregierung 2000 zurück und steigen erst seit 2012 wieder leicht an. Die Reform vergrößerte damals den Kreis derjenigen, die ein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit haben und machte hier geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch zu Deutschen. Der Staat setzte zugleich weiterhin darauf, mehrere Staatsbürgerschaften zu verhindern. So müssen sich auch die „Optionskinder“ bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem des Herkunftsstaats entscheiden. Tatsächlich wird inzwischen bei der Hälfte aller neuen Deutschen die Doppelstaatsbürgerschaft hingenommen, entweder weil sie EU-Bürger sind oder weil sie aus ihrer ersten Staatsbürgerschaft nicht entlassen werden. Unter Deutsch-Türken allerdings liegt der Anteil der Doppelstaatler bei nur sieben Prozent.

Ob die Einbürgerung Ziel oder Etappe der Integration ist, wird kontrovers diskutiert. Auf jeden Fall ist sie im staatlichen Interesse. Staatsrechtler verweisen darauf, dass es problematisch ist, wenn eine große Zahl von Einwohnern eines Landes etwa von politischen Entscheidungen ausgeschlossen sind, weil sie kein Wahlrecht haben.

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